Vom Winde verweht

18 10 2010

Samstag, halb vier Uhr nachmittags in Deutschland. Der bisher ungeschlagene Tabellenführer aus Mainz unternimmt im Heimspiel gegen den HSV den Versuch, die Rekord – Siegesserie der Bayern von sieben Siegen in Folge mit ihrem achten Dreier zu übertrumpfen. Mittendrin ein Österreicher: Christian Fuchs (24) hat sich von Anfang an auf der linken Abwehrseite einen Stammplatz erkämpft und ihn bis jetzt nicht wieder hergegeben. Von den häufigen Rotationen des Trainers bleibt der Niederösterreicher zumeist verschont.

Der andere Österreicher bei Mainz, Andi Ivanschitz, hat mit den Rotationen ebenfalls selten etwas zu tun. Leider steht er aber derzeit auf der Regenseite des Fußballerlebens und kommt in den zweifelhaften Genuss eines Jahresabos auf der Ersatzbank. Zwei Mal durfte der ehemalige Teamkapitän bisher am Platz mitwirken. Beim Sieg über Köln in der 5. Runde war Ivanschitz 90 Minuten im Einsatz, gegen Hoffenheim (4:2) durfte er die letzten drei Minuten spielen.

Am Ende verliert Mainz mit Fuchs und ohne Ivanschitz zwar mit 0:1, bleibt aber trotzdem weiterhin das Sensationsteam in Deutschland. Am nächsten Tag hätte man sich beim Spiel Kaiserslautern – Frankfurt auf ein Österreicher – Duell freuen dürfen. Doch alle, die das taten, hatten die Rechnung ohne Michael Skibbe gemacht. Der Frankfurt – Coach hatte nämlich Ümit Korkmaz vor der Partie aus dem Kader eliminiert. Auch ohne Korkmaz gewannen die Frankfurter klar mit 3:0. Korkmaz scheint bei der Eintracht, ähnlich wie Ivanschitz bei Mainz, keine Zukunft zu haben. Skibbe sprach bereits mehrere Male öffentlich davon, dass er Korkmaz derzeit nicht gebrauchen könne.

Machen wir einen kurzen Rückblick zum Juni 2008. In Österreich befindet sich die Fußballeuphorie vor dem alles entscheidenden Gruppenspiel gegen Deutschland auf dem Höhepunkt. Die Hoffnungsträger in der Offensive: Ivanschitz, Harnik und Korkmaz.

Der weitere Verlauf der Europameisterschaft ist allen bekannt. Am Ende des Turniers war man zwar enttäuscht, nur einen Punkt gemacht zu haben, es herrschte trotzdem die Meinung vor, dass diese Europameisterschaft für die Entwicklung der Spieler sehr wichtig war und das Team in den nächsten Qualifikationen von dieser Entwicklung profitieren würde.

Abgesehen davon, dass manche Hauptakteure von damals wegen persönlicher Probleme nicht einmal in Hochformzeiten vom Teamchef einberufen werden, die Entwicklung der hoffnungsvollen EM – Truppe hilft unserem Team derzeit nur marginal.

Sollte die Qualifikation zur EM 2012 in Polen und der Ukraine nicht gelingen, werden wieder viele Experten darauf hinweisen, dass das Team noch sehr jung sei und Zeit brauche. Die selbe Zeit, die das EM – Team 2008 brauchte und für das die damalige Endrunde „zu früh“ kam. Ob Korkmaz, Ivanschitz & Co. im Sommer 2010 bei einer EM – Endrunde besser als 2008 ausgesehen hätten, darf bezweifelt werden.





Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt

10 10 2010

Wer nach dem 3:0 – Sieg gegen die Herren aus Aserbaidschan nicht in die Lobeshymnen auf die siegreiche Mannschaft um Arnautovic, Fuchs & Co. mit eingestimmt hatte, wurde in den letzten Tagen regelrecht als Miesmacher und Spielverderber abgestempelt. Die österreichische Fußballseele saugt die Medizin, die sich Hoffnung nennt, bei jedem Sieg auf wie ein Schwamm. Auch wenn der Gegner im europäischen Vergleich noch so unbedeutend zu sein scheint, wenn drei Punkte eingefahren werden, sind Herr und Frau Österreicher zufrieden.

Warum sollte man sich auch nicht freuen? Mit 6 Punkten aus den beiden ersten Auftaktpartien gegen Kasachstan und Aserbaidschan holte unser Nationalteam das Punktemaximum und blieb sogar ohne Gegentor – ein Kunststück, das Didis Buben vorher 23 Spiele nicht gelungen war.

Ein etwas kritischerer Blick auf den Start in die EM – Qualifikation würde dennoch nicht schaden. Nicht, weil man die bisher gezeigten Leistungen schlecht reden will. Ganz im Gegenteil – um das Team zu schützen.

Denn sollten die Helden von Wien am Dienstag Abend plötzlich zu den Deppen der Nation mutieren, haben sie den Spott aufgrund der Niederlage genauso wenig verdient wie die Lobeshymnen, die derzeit (noch) auf die junge Truppe angestimmt werden. Österreich ist ein Land der Extreme – gewinnen wir zwei Spiele gegen Fußballzwerge, werden wir Weltmeister. Verlieren wir die eine oder andere Partie, kann man den ÖFB nach Meinung der Medien und Fans zusperren.

So sehr wir alle uns auch wünschen, dass die ÖFB – Mannschaft endlich aus dem verhassten Mittelmaß entkommen möge, ein wenig mehr Mittelmaß in den Meinungen und Beurteilungen des Nationalteams wäre mindestens genauso wertvoll. Wie sonst soll ein Marko Arnautovic, bei schlechten Leistungen immer wieder mit Fragen nach privaten Skandälchen und fehlender Einstellung konfrontiert, lernen, mit Erfolgen umzugehen, wenn die drei größten Tageszeitungen ihn noch drei Tage nach seinen beiden Toren gegen Aserbaidschan seitenlang feiern?

Nichts gegen Lob für verdienstvolle Spieler, aber es wurde am letzten Freitag der Gegner aus Topf fünf im eigenen Stadion 3:0 geschlagen. Das ist natürlich erfreulich, aber es ist sicher kein Grund, einzelne Spieler in den Himmel zu heben. Sollte auch gegen Belgien gepunktet werden, wird die Tabelle zwar immer noch sehr freundlich für unser Team aussehen, die schwierigsten Aufgaben warten aber erst im nächsten Jahr.

Hoffen wir, dass die Fans und Medien in Österreich auch 2011 öfter himmelhochjauchzend als zu Tode betrübt zu sehen sein werden.