Von Import und Export

26 07 2010

Was Beatrix Karl mit (deutschen) Fussballprofis gemeinsam hat? Zugegeben, auf den ersten Blick fällt es schwer, zwischen der österreichischen Bildungsministerin und der kickenden Zunft auch nur eine Gemeinsamkeit zu entdecken.

Trotzdem teilt die ÖVP-Politikerin einige Sorgen mit den Spielern des frischgebackenen WM-Dritten. Karl hat mit deutschen MC-Flüchtlingen, die in Scharen den Weg nach Österreich finden, zu kämpfen. In vielen Fällen verlassen die fertigen deutschen Akademiker nach ihrem Abschluss unser Land wieder, was dazu führt, dass neue Akademiker zwar ausgebildet, aber nicht in Österreich gehalten werden können.

Während in Wien, Berlin und Brüssel noch diskutiert wird, ob sich Rot-Weiß-Rot dieses Problem in der eigenen Küche zubereitet hat, oder doch andere Mitschuldige gefunden werden können, ist der Fall der deutschen Bundesliga klar. Denn auch die Bundesligisten erfreuen sich an österreichischen Dienstnehmern (welche im besten Fall ihren deutschen Kollegen den Platz wegschnappen) – und zwar freiwillig.

13 Legionäre werden ab dem 20. August für einen deutschen Klub die Schuhe schnüren, mit den derzeit auf Vereinssuche befindlichen Scharner und Garics bzw. Dragovic könnten sogar noch weitere folgen. Doch woher kommt plötzlich die Liebe von Slomka, van Gaal & Co. zu den Alpenkickern?

Riskiert man einen Erklärungsversuch, so kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass die U20-WM im Jahr 2007 mit Hoffer, Prödl, Okotie & Co. wohl den Grundstein dafür darstellt, dass Kickern der Sprung von Sturm, Austria oder Rapid in die große weite Welt der deutschen Bundesliga wieder etwas leichter fällt. Der zweite Grund dafür sind die Leistungen der Legionäre, mit denen man nach der letzten Saison durchaus zufrieden sein kann. Akteure wie Fuchs oder Ibertsberger waren absolute Stammspieler und erfüllten ihre Rollen solide. Andi Ivanschitz sorgte zu Beginn der Saison für Furore, Ümit Korkmaz kam gegen Ende immer besser in Form.

Die dritte Komponente zur Lösung der Causa „Legionärsflut in Deutschland“ bilden die letztjährigen Erfolge österreichischer Klubs in der Europa League. Ein 3:0 über den HSV wird nicht so schnell vergessen, ebenso wenig wie die starken Auftritte der Austria gegen Werder Bremen oder der Triumphzug der Salzburger.

An diesem Beispiel sieht man aber, wie es für Österreichs Fussball wieder kontinuierlich nach oben gehen könnte: gute Jugendarbeit, seriöse Klubführung und die Philosophie, keine (Pseudo-)Stars für horrende Summen zu verpflichten, sondern sie selbst zu produzieren und dann gewinnbringend zu verkaufen.

Als Vorbild kann in dieser Hinsicht praktisch nur eine Nation stehen: die Niederlande. Und was dort aus diesem Konzept geworden ist, weiß man seit dem 11. Juli genau.





Die falschen Fragen

5 07 2010

Solche Jubeltrauben wie im Juni der Jahre 2006, 2008 und 2010 sah man in Deutschland zuletzt Ende der 80er  – Jahre, als die Mauer fiel. Was bis dahin nur die Politik zustande brachte, schafft in unserem nördlichen Nachbarstaat der Fußball alle zwei Jahre. Menschen, die zu zehntausenden in die Public Viewing – Zonen pilgern, sich in den Armen liegen und sich und ihre Mannschaft feiern.

Auch in Uruguay ist längst nicht mehr alles, wie es einmal war, nachdem Luis Suarez mit seiner Handabwehr in Minute 121 den Himmelblauen den Weg ins Halbfinale ebnete.  Abseits der wunderbaren Freudenszenen gibt es aber leider heuer auch Schattenseiten der Weltmeisterschaft.

Während die Spieler der vier glücklichen Halbfinalisten im siebten Himmel schweben sind andere enttäuscht. Lionel Messi, Christiano Ronaldo, Kaka – sie alle wollten der Superstar der WM werden. Die Realität sah aber ganz anders aus, die Teams der teuersten Ballkünstler des Planeten mussten schon verhältnismäßig früh die Segel streichen und die Heimreise antreten. Während sie aber zum größten Teil trotz des frühen Ausscheidens gefeiert werden, schämen sich Kicker in anderen Ländern ihres Berufs.

In Nordkorea kündigte Diktator Kim-Jong-Il bereits an, dass auf die „Versager“ des Fussballnationalteams, die in der „Todesgruppe“ gegen Brasilien, Portugal und die Elfenbeinküste keinen Punkt holten, ein Platz im Kohlebergwerk wartet. Bei Siegen hätte man die Spieler mit großen Wohnungen belohnt. Viele der nordkoreanischen Kicker sahen das Unheil bereits kommen und wollten in Südafrika bleiben. Der Plan scheiterte, statt Penthouse gibts Kohlebergwerk.

Dass die FIFA jegliche Einmischung der Politik in den Fussball nicht duldet, ist allgemein bekannt. Grundsätze und Prinzipien, allen voran solche dieser Art, sind zu begrüßen; nur müssen sie auch eingehalten und die, die dagegen verstoßen, bestraft werden. Bisher war von der FIFA noch keine Stellungnahme zur Ankündigung von Kim Jong Il zu vernehmen.

Anders als im Fall von Nigeria. Der hiesige Staatschef war mit der Absicht, das Nationalteam von allen internationalen Bewerben für zwei Jahre aus dem Verkehr zu ziehen, vorgeprescht. Dadurch befand sich der Weltverband allerdings in einer Zwickmühle: „bestraft“ man Nigeria für die Einmischung der Politik mit einer Sperre, hätte diese genau das erreicht, was sie wollte. Sepp Blatter und seine Kompanen drohten nach langen Überlegung mit einer Sperre der Klubs und nicht des Nationalteams.

Immerhin ein kleines Zeichen von der FIFA, die in dieser Hinsicht die Leine seiner Mitgliedsverbände aber viel zu locker lässt. Berücksichtigt man auch Frankreich, wo sich Nicolas Sarkozy zum obersten Befehlshaber der „Equipe tricolore“ ernennen lassen wollte, gab es bei dieser WM bereits drei Härtefälle, bei denen sich Politiker und Staatschefs in die Belange vom nationalen Fussballverband einmischten.

Wäre die FIFA im Ahnden solcher Aktionen rigoroser, würde so etwas in dieser Häufigkeit wohl nicht vorkommen.

Die andere Baustelle, die Mister Blatter in den kommenden Wochen und Monaten zu bewältigen hat, ist das Regelwerk und der mittlerweile unüberhörbare Ruf nach technischen Hilfsmittel, gegen die sich der 74-Jährige bisher vehement gewehrt hatte.

Aber wie wir wissen, ist das richtige Setzen von Prioritäten noch nie die Stärke der FIFA gewesen. Anstatt dafür zu sorgen, dass Fussbälle unter fairen Bedingungen hergestellt werden, Vereine keinen Menschenhandel vollziehen, Politiker sich nicht in den Sport einmischen, das Spiel sich weiterentwickelt oder Klubs nur so viel Geld ausgeben dürfen, wie sie haben – stattdessen macht sich die FIFA Gedanken darüber, ob sich Torschützen nach dem erzielten Tor das Trikot ausziehen und welche Röcke weibliche Fans tragen dürfen. Egal, wie die FIFA mit diesen Fragen umgeht: es sind eindeutig die falschen.